Paula Modersohn-Becker und ihre Weggefährtinnen
Der unteilbare Himmel
29. Juni 2025 bis 8. März 2026
In vier Museen würdigt Worpswede 2025/26 die heute bei weitem berühmteste Künstlerpersönlichkeit, die das Künstlerdorf hervorgebracht hat: Paula Modersohn-Becker. Sie wird am 8. Februar 1876 in Dresden geboren und stirbt am 20. November 1907 im Alter von nur 31 Jahren in Worpswede an einer Embolie.
Zu ihren Lebzeiten wird sie als eigenständige Künstlerin kaum wahrgenommen. Von den männlichen Künstlerkollegen in Worpswede weitgehend verkannt, ist Paula Modersohn-Becker gezwungen, sich jenseits des etablierten Kunstbetriebs als Malerin selbst zu erschaffen. Die Erfahrung des Ringens um eine eigenständige Existenz als Künstlerin teilt sie mit vielen anderen begabten Frauen ihrer Zeit, die alle auf ihre Weise mit den damaligen Umständen umzugehen versuchen.
Als Paula Becker mit 22 Jahren nach Worpswede kommt, trifft sie hier einige dieser Frauen und freundet sich mit ihnen an – darunter Clara Westhoff, Ottilie Reylaender und Martha Vogeler. Und wie so viele Künstlerinnen um 1900 zieht es auch sie immer wieder nach Paris, wo sie entscheidende Impulse für ihre künstlerische Entwicklung erhält.
In nur zehn Jahren schafft Paula Becker, verheiratete Modersohn-Becker, ein beispielloses Werk. Aus der wenig beachteten ›Malschülerin‹ wird in dieser Zeit eine wegweisende Pionierin der Moderne und Vorreiterin der weiblichen Selbstbestimmung. Mit ihrer Kunst wie mit ihrem geradlinig gelebten Leben setzt sie Zeichen, die bis in unsere Zeit weiterwirken. Heute wird Paula Modersohn-Becker im In- und Ausland gefeiert. 2024 wird sie in Einzelausstellungen in New York und Chicago präsentiert.
Die vier Worpsweder Museen zeigen die junge Malerin dort, wo alles begann: im Künstlerdorf Worpswede und im Kreis ihrer Weggefährtinnen. Sie einte der Wille, sich ein freies Leben als Künstlerin zu erkämpfen. Werke zeitgenössischer Künstlerinnen, darunter der deutsch-iranischen Künstlerin Anahita Razmi, schlagen einen Bogen in die Gegenwart und fragen nach der Situation von Frauen heute.
Um in die Kunst und das Leben Paula Modersohn-Beckers ganz einzutauchen, empfiehlt sich die Buchung einer ›Führung zur Ausstellung‹. Sie verbindet den Besuch zweier Museen mit einem Spaziergang entlang der für Paula Modersohn-Becker wichtigen Orte im Künstlerdorf. Die Gemeinschaftsschau wird durch weitere thematische Präsentationen sowie ein umfangreiches Begleitprogramm in Worpswede und Bremen ergänzt.
GROSSE KUNSTSCHAU
Zukünftiges schaffen
Zeitgenossinnen damals und heute
Paula Modersohn-Becker teilt das Ziel, Künstlerin zu werden, mit zahlreichen jungen Frauen ihrer Zeit. Das Leben und Arbeiten in einer Künstlerkolonie bietet ihnen Raum zur künstlerischen Entfaltung. Viele von ihnen ergänzen
ihre Ausbildung mit Studienaufenthalten in Paris, wo sie der dortigen Avantgarde begegnen. Die Ausstellung verfolgt die Lebenswege von Künstlerinnen um 1900. Sie thematisiert die engen Wechselbeziehungen zwischen
ihrer künstlerischen Produktivität und ihren gesellschaftlichen Rollen als Frau, Ehefrau und Mutter. Zeitgenossinnen von heute reflektieren die akute Relevanz dieser Themen,
darunter Anahita Razmi, Stipendiatin des Museumsverbundes und der Künstlerhäuser Worpswedes, die Bezüge zum Kampf der Frauen um Selbstbestimmung im Iran herstellt.
HAUS IM SCHLUH
Befreite Muse
Martha Vogeler
Martha Vogeler löst sich aus der Künstlerehe mit Heinrich Vogeler und lebt ab 1911 mit dem Literaten Ludwig Bäumer eine neue Liebe. Diese Entscheidung ist der erste Schritt in ihre Unabhängigkeit. 1920 gründet sie eine eigene Lebensund
Wirkungsstätte für sich und ihre Töchter: das Haus im Schluh. Mit ihrer eigenen Kunst und Arbeiten von jungen Malerinnen und Malern, mit Weberei und Vermietung von Gästezimmern schafft sie die Basis für ein auch finanziell
unabhängiges Leben. Das Haus im Schluh präsentiert die künstlerische Arbeit Martha Vogelers inmitten der Werke ihres Ehemannes und zeigt ihr soziales und kulturelles Engagement. Mit Fotos, Schrift- und Tondokumenten entsteht ein lebendiges Bild ihres Wirkens in Worpswede
WORPSWEDER KUNSTHALLE
Frei und unabhängig
Ottilie Reylaender
1898 kommt Ottilie Reylaender als Fünfzehnjährige nach Worpswede, um bei Fritz Mackensen in die Lehre zu gehen. Hier trifft sie auf Paula Becker. Ottilie Reylaender fühlt sich von der älteren Kollegin angezogen und ist fasziniert von
ihrer Entwicklung. Bald findet auch sie ihre eigene künstlerische Richtung. Wie Paula Modersohn-Becker geht sie nach Paris, um dort Unterricht zu nehmen. Ihr weiterer Weg führt sie 1910 nach Mexiko und siebzehn Jahre später nach Berlin.
In der umfassenden Rückschau auf ihr Leben und Werk ist eine Künstlerin zu entdecken, die auf der Höhe der Zeit malt
und es wagt, ein freies Leben jenseits gesellschaftlicher Konventionen zu leben.
BARKENHOFF
Verwandte Seelen
Paula Becker und Clara Westhoff
Paula Becker und Clara Westhoff lernen sich 1898 als junge Malschülerinnen in der Künstlerkolonie Worpswede kennen. Dies ist der Beginn einer von Höhen und Tiefen geprägten Freundschaft. Die beiden jungen Frauen suchen nach künstlerischer Selbstbestimmung und einer eigenen Ausdrucksform
– Paula Becker in der Malerei, Clara Westhoff in der Plastik. Die Ausstellung im Barkenhoff zeigt das künstlerische und persönliche Werden der beiden Künstlerinnen anhand ausgewählter Werke und wegweisender Stationen ihres Lebens. Im Mittelpunkt stehen Skulpturen, Gemälde und Zeichnungen,
ergänzt um historische Fotografien und Originaldokumente sowie Zitate der Künstlerinnen.