Bekannt wurde Worpswede durch die Künstler

Die Zufallsbekanntschaft mit der jungen Kaufmannstochter Mimi Stolte aus Worpswede führte zuerst den Düsseldorfer Kunststudenten Fritz Mackensen 1884 in das bis dahin noch völlig unbekannte Dorf im Teufelsmoor. Er war begeistert von der Landschaft und seinen Bewohnern und kehrte 1889 mit seinem Studienfreund Otto Modersohn und dem Münchner Kollegen Hans am Ende zurück. Ihr Entschluss im Spätsommer 1889 zu bleiben wurde zur Geburtsstunde der Worpsweder Künstlervereinigung. Mit ihren lyrischen Landschaftsauffassungen hatten die „Worpsweder“, inzwischen um Fritz Overbeck und Heinrich Vogeler verstärkt, seit ihrem Durchbruch im Münchener Glaspalast 1895 großen Erfolg.

Ihre Bilder der Sehnsucht nach Landschaft trafen den Nerv des städtischen Kunstpublikums, das alsbald auch nach Worpswede kam. Worpswede wurde dadurch in der Welt der Kunst bekannt und berühmt. Immer mehr Maler wurden auf das Dorf im Teufelsmoor aufmerksam. Darunter waren auch einige Frauen, denen der Zugang zu den Akademien noch verwehrt war.
Allen voran war es Paula Becker, die mit ihren unsentimentalen und auf das Elementare reduzierten Menschendarstellungen Kunstgeschichte schrieb. Heute gilt die Künstlerin, die mit 31 Jahren im Kindbett starb, als bedeutende Wegbereiterin der Moderne. Später kamen auch der Schriftsteller Rainer Maria Rilke, die Bildhauerin Clara Westhoff, die spätere Ehefrau Rilkes, hinzu. Danach folgten weiter Künstlergenerationen und prägten Worpswede. Sie sind gar nicht alle aufzuzählen. Ohne Rangfolge seien hier u.a. genannt: Walter Bertelsmann, Sophie Bötjer, Udo Peters, Albert Schiestl, Karl Krummacher und Benny Huys, auch die Schriftsteller Waldemar Augustini und Manfred Hausmann.
Genannt werden muss auch der Architekt Bernhard Hoetger. Er schuf in Bremen die Böttcherstraße. In Worpswede erbaute er das Restaurant „Kaffee Worpswede“, im Volksmund „Café Verrückt“ genannt, das Hoetger-Wohnhaus Hinterm Berg und den Niedersachsenstein auf dem Weyerberg.

Seit der ersten Malergeneration haben sich Kunst und Kultur in Worpswede stark gewandelt

Personelle Fluktuationen und zwei Weltkriege haben deutliche Zäsuren gesetzt, aber auch neue kreative Impulse ausgelöst. Das Künstlerdorf wurde zum Ort für neue Lebensmodelle, ungewöhnliche Architekturformen, die Landschaft zu gestalteten Lebensräumen. Im Gegensatz zu vielen anderen Künstlerkolonien ist Worpswede als Ort der Kunst lebendig geblieben. Nicht nur durch die Präsentation des kulturellen Erbes in den vielen Museen, Galerien und Kunststiftungen, sondern auch durch mehr als 130 ortsansässige Künstler und Kunsthandwerker und internationale Gastkünstler der Stipendiatenstätte Künstlerhäuser Worpswede, die neue künstlerische Akzente setzen. Kunst, Landschaft und Ortsbild prägen heute immer noch den Charakter Worpswedes.

Das Ortsbild ist gekennzeichnet durch weitläufige eingeschossige Bebauung mit vielen Grünflächen, mit alten Eichen, Buchen und Linden. Kennzeichnend sind weiterhin die birkenbestandenen Wirtschaftswege. Über allem liegt noch immer der Zauber, der all die Künstlergenerationen in seinen Bann gezogen hat.

KÜNSTLERHÄUSER WORPSWEDE

Auf Initiative des Worpsweder Malers und Grafikers Martin Kausche entstand 1971 eine Stipendiatenstätte in Worpswede – ein Atelierhaus in idyllischer Randlage in den Hammewiesen mit fünf Ateliers, entworfen vom Worpsweder Architekten Walter Müller.

Die Idee war, dass Künstler:innen aller Sparten wie der bildende Kunst, Musik oder Literatur über einen gewissen Zeitraum in einer ruhigen Atmosphäre arbeiten können. Worpswede bietet mit dem hohen Anteil an Künstlerinnen und Künstlern in der Bevölkerung eine gute Infrastruktur und ermöglicht den Gästen eine Anbindung an örtliche Kunstschaffende sowie ein tieferes Verständnis höchst unterschiedlicher Kunstpositionen. Zudem hofften die Gründer, dass Stipendiaten angeregt werden, später im Dorf zu bleiben, um vor Ort weiterhin kreativ zu wirken.
Diese Idee hat wunderbar funktioniert. Worpswede ist durch diese Stipendiatinnen und Stipendiaten über viele Jahre international als Künstlerdorf bekannt geblieben und nicht, wie viele andere vergleichbaren Orte, die um 1900 Künstler anzogen, in einen nostalgischen Dornröschenschlaf gefallen. Als 1996 die Ateliers der Barkenhoff-Stiftung hinzukommen, sind die Atelierhäuser in Worpswede mehr als zehn Jahre größte Künstlerförderstätte weltweit.

Von 1971 bis 2009 erhalten weit über 400 Künstler die Möglichkeit einer qualifizierten Förderung ihrer Kunst. Viele heute bekannte internationale Künstler haben in den Ateliers in Worpswede gewohnt und den Beginn ihrer künstlerischen Entwicklung diesen inspirierenden Monaten in der Worpsweder Landschaft zu verdanken. Etliche von ihnen haben sich im Dorf heimisch gefühlt und sind für ein paar Jahre und manche für immer geblieben. Gerade diese haben den Ruf Worpswedes als lebendiges Künstlerdorf nach außen geprägt.

Als 2009 die Künstlerförderung des Landes Niedersachen neu überdacht wird, fällt die jahrelange finanzielle Förderung der Häuser fort. Die Ateliers der Barkenhoff-Stiftung (ehemaliger Wohnsitz des Jugendstilkünstlers Heinrich Vogeler) werden einer Neukonzeption des Barkenhoffs zugeschlagen, einige Ateliers im Dorf reklamiert die Gemeinde für sich. Die verbleibenden Ateliers der Anfangsjahre bleiben und können mit viel Idealismus als „Künstlerhäuser Worpswede e. V.“ über die schwierige finanzielle Situation weitergeführt werden.

Seit Mai 2020 leiten Philine und Bhima Griem als Doppelspitze die Künstler:innenhäuser. In kollektiven und partizipativen Such-, Denk- und Forschungsprozessen entsteht eine „Stipendienstätte der Zukunft“. Diese will ein Ort der Kunstproduktion bleiben, ein Aufenthaltsort für Kunstschaffende sein, aber auch ein Ort der Auseinandersetzung für Worpswede und die Region. Der Verein Künstlerhäuser Worpswede e. V. ist Gastgeber und Unterstützer für professionell arbeitende zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler, fungiert als Vermittler ihrer künstlerischen Arbeit und Impulsgeber für den Ort Worpswede und darüber hinaus. Das Land Niedersachsen, der Landkreis Osterholz und die Gemeinde Worpswede unterstützen mit weiteren Partnern wie dem Museumsverbund das Konzept der Stipendienstätte der Zukunft. Aktuelle Stipendiat:innen und Aktivitäten finden Sie hier.

Die Künstlerinnen und Künstler eröffnen Besuchern Worpswedes zahlreiche Möglichkeiten, sich in Form von Veranstaltungen und Ausstellungen, Gesprächen und Foren mit der zeitgenössischen Kunst auseinanderzusetzen. Und das in einem Ort mit über 130jähriger Kunsttradition.

EUROART – WORPSWEDE INTERNATIONAL

Als bedeutende deutsche Künstlerkolonie ist Worpswede international gut vernetzt und Mitglied in der 1994 in Brüssel gegründeten Europäischen Vereinigung der Künstlerkolonien »euroArt«. Im Bewusstsein des gemeinsamen kulturellen Erbes wird länderübergreifend der Dialog gepflegt und an gemeinsamen kulturtouristischen Konzepten gearbeitet. Künstlerkolonien bilden Ausgangspunkte für attraktive Sightseeing-Tripps: Die aktuelle Nordroute spannt für Deutschland den Bogen von Worpswede nach Schwaan bei Rostock, über Ahrenshoop bis nach Hiddensee und zuürck über Ferch bei Potsdam.

Weitere Infos finden Sie unter www.euroart.eu